Die Unwetterkatastrophe im Bezirk Zurzach vom 29/30 Mai 1931

(Quelle: 'Die Botschaft' - Nr.63, 1. Juni 1931, Bürli AG Druck Kommunikation Medien)

In der Nacht vom Freitag auf Samstag ging über den unteren Aargau und namentlich über den Bezirk Zurzach ein schreckliches Gewitter nieder, das durch Hagel und wolkenbruchartige Regen und gewaltige Wassermassen an Kulturen, Strassen und Bauten unermesslichen Schaden anrichtete. Vom Hagel zerfetzt, vom Regen uns Schlamm und Schutt überschwemmt bietet die vordem so prächtige Vegetation einen traurigen Anblick. Mit einem Schlage sind die kühnsten Hoffnungen unserer Landwirte zunichte geworden. Grosse Schäden sind namentlich an den Bergstrassen verursacht worden; tief aufgerissen glaubt man Bachbette von Wildbächen vor sich zu haben. Gross ist auch der Schaden, den die Wassermassen an Gebäuden anrichteten.


Fakten zur Unwetterkatastrophe in Kurzform:

Zeitpunkt: Freitag 29. Mai 1931, 22:30Uhr bis Samstag 30. Mai 1931, 04:00Uhr morgens
Betroffene Fläche: >200km2 (15km x 15km)
Betroffene Region: Kanton Aargau, Bezirke Zurzach und Baden
Betroffene Gemeinden: 17 (mit Gesamtschaden >5'000 Franken, bezogen auf das Jahr 1931)
Hagelschlag: Dauer 15 bis 30 Minuten, bis Taubeneigrösse (30-40mm)
Niederschlag: >250mm in 4 Stunden!, Dutzende grosse Erdrutsche und Muren


Wettersituation am 29/30. Mai 1931

Über Mitteleuropa herrschte eine falche Druckverteilung vor, die mit der tageszeitlichen Erwärmung am Abend kräftige Gewitter erwarten liess.

Vor dem Unwetterereignis herrschten für Ende Mai sehr hohe Temperaturen. Anhand der Tagesmitteltemperatur von Zürich kann man darauf schliessen, dass die Temperaturen über 5°C höher lagen als die Normwerte, welche später für die Messperiode 1961-1990 gemessen wurden.

So bildete sich am Freitag, 29 Mai 1931 spätabends, über dem Bezirk Zurzach eine Konvergenzzone aus, die einen mächtigen Gewitterkomplex entstehen liess, der ortsfest blieb und während 5 Stunden wolkenbruchartig ausregnete.


Nachfolgend ausführliche Schadensberichte aus den betroffenen Gemeinden:
(Bitte Gemeinde auswählen)

Gemeinde Gesamtschaden in Fr.
(Basis Jahr 1931)
Zurzach 131'318
Oberendingen 100'518
Tegerfelden 67'174
Rekingen 39'959
Döttingen 39'379
Klingnau 36'823
Lengnau 26'280
Böbikon/Baldingen 25'606
Rietheim 23'673
Leuggern 22'078
Ober- und Untersiggental 15'559
Böttstein 10'780
Ennetbaden 7'840
Würenlingen 4'193

Quelle: Buch 'Döttingen damals',
Verlag Gemeinde Döttingen, Kommission Pro Döttingen, Fotografien von der Ausstellung 1981



(Quelle: 'Die Botschaft' - Nr.64, 3. Juni 1931, Bürli AG Druck Kommunikation Medien)

Die Massnahmen zur Linderung der Not:

Die von der aargauischen Regierung, im Einvernehmen mit den Gemeindebehörden im Unwettergebiet der Bezirke Baden und Zurzach angeordnet wurden, haben sich bewährt. Schon am Montag früh waren in Zurzach die direkten Strassenverbindungen Rekingen-Koblenz für den Durchgangsverkehr freigelegt. Dagegen konnte bis zum Dienstag die obere Hauptstrasse durch den Marktflecken Zurzach, die am Samstag einem Wildbachbett gleichsah, noch nicht fahrbar gemacht werden. Die Ausbesserungsarbeiter im Bahnhof Zurzach, wo u.a. das dritte Geleise unterhöhlt wurde, hatten am Dienstagmorgen bereits mehr als hundert Eisenbahnwagenladungen Erdreich zugeführt. Auch der Autokurs von Döttingen nach dem Surbtal konnte wieder eingeführt werden, doch wird es noch langer, anspruchsvoller Arbeit bedürfen, bis die enormen Schäden an den Verkehrswegen im Unwettergebiet ausgebessert sind.
Auch die Ausbesserung der Feldwege ist dringend, damit die Heuernte - soweit sie überhaupt möglich ist - eingebracht werden kann.
Sehr wertvolle Hilfsdienste leisteten die Motorspritzen der Städte Aarau und Zofingen. Sie haben bis am Dienstag die meisten Keller im Überschwemmungsgebiet ausgepumpt. Dabei handelt es sich um eine ausserordentlich mühsame Arbeit. Denn die schlammigen Wassermassen liessen sich nicht leicht hochbringen. Die zäheren Schlammmassen mussten von den Einwohnern selbst aus den Kellern und den Erdgeschossen herausgeschafft werden.

Über die Ausdehnung des Schadens hat man jetzt insofern einen Überblick, als festgestellt ist , dass neben den Zerstörungen an den Kulturen durch Hagelschlag und die Überschwemmungen mit Geschiebe, die Verheerungen an den Strassen und Wegen sowie die Gebäude- und Mobiliarverluste die folgenschwereren sind.

In 18 Gemeinden des Unwettergebietes müssen die einzelnen Betroffenen auf den Kanzleien ihren Schaden genau anmelden. Die aargauische Regierung hat verfügt, dass von Seiten des kantonalen Versicherungsamtes, der Baudirektion und des kulturtechnischen Büros die Abschatzungen zusammengestellt werden. Der Kanton soll einen namhaften ausserordentlichen Beitrag an die Tilgung der Schäden sowohl an öffentlichen Anlagen (Strassen etc.) wie auch der Verluste von Privaten leisten. Die Regierung hat auch beschlossen, beim Bundesfeierkomitee eine ausserordentliche Massnahme ein dem Sinne nachzusuchen, dass die Ergebnisse der Sammlung der kommenden 1. August (Hilfe für Naturkatastrophen im Hochgebirge), soweit es sich um den Aargau handelt, für die Milderung der Notlage im eigenen Kanton zurückbehalten werden dürfen.


Quellennachweis


Juni 2007, Kai Kobler